In den seltensten Fällen haben Rückenschmerzen eine anatomische Ursache. Fast immer sind sie ein Hilferuf der Seele, ausgelöst durch Ängste, Stress und psychische Belastungen. Wir sagen, wie die Schmerzen entstehen und wie sie Ihrem Rücken und Ihrer Seele selber helfen können.
Wir hocken stundenlang regungslos auf dem Bürostuhl und starren hochkonzentriert und bewegungslos auf den Monitor. Auch beim Essen, Zeitungslesen oder Fernsehgucken sitzen wir ständig. Dass unsere Lebensweise nicht besonders artgerecht ist, zeigt sich vor allem an der großen Zahl der Menschen, die unter Rückenschmerzen und Wirbelsäulenbeschwerden leiden – der häufigste Grund für Frühinvalidität und vorzeitigen Ruhestand. „Unsere Lebensweise ist rückenzerstörend“, konstatiert der Münchner Orthopäde Dr. Martin Marianowicz in seinem Buch „Den Rücken selbst heilen“. Es besteht kein Zweifel daran, dass Rückenbeschwerden aufgrund einer zu schwachen Muskulatur entstehen. Der Rücken wird getragen und gestützt von einem Korsett, zu dem nicht nur die Muskeln des Rückens zählen, sondern auch die des Bauches. Damit dieses Korsett seine Arbeit machen kann, muss es stark sein. Und deshalb, müssen die Rücken- und Bauchmuskeln regelmäßig gekräftigt und gedehnt werden.
Ein schwaches Korsett ist aber nicht der alleinige Grund für Rückenschmerzen. Neueste medizinische und wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Rückenschmerzen oftmals ein Hilferuf der Seele sind. „Der Schmerz bringt zum Ausdruck, inwiefern eine Lebenssituation und das eigene Verhalten dazu beitragen, den Rücken zu überlasten, und zwar in körperlicher wie auch seelischer Hinsicht“, erklärt Marianowicz. Wer seine Rückenleiden lindern möchte, kommt deshalb kaum daran vorbei, sich auch mit dem Befinden seiner Seele zu befassen.
„Kopf und Körper, sind über die Wirbelsäule und das Rückenmark miteinander verbunden“.
Es gibt vieles, was die Seele belasten kann. Stress im Job oder in der Familie drückt nachweislich aufs Kreuz, wenn man nicht für ausreichende Erholung und Entspannung sorgt. Beständiger Druck, Sorgen oder seelische Überlastung können ebenfalls Stress verursachen und die Schmerzwahrnehmung deutlich verstärken. Stress ist ein evolutionäres Warnsignal für den Körper, bei dem das Nervensystem unseres Körpers förmlich mit Stresshormonen überflutet wird. Die Bindegewebshüllen der Muskeln, die so genannten Faszien, beherbergen Millionen Nervenzellen und leiten die Sinneseindrücke in rasender Schnelligkeit weiter. Deshalb können unsere Muskeln bei Gefahr blitzschnell reagieren und können wir im Bruchteil von Sekunden komplexe Bewegungen ausführen.
Unsere Muskeln sind ein großes Wahrnehmungsorgan
Wenn man immer wieder Stress und starke Emotionen erlebt, aber nicht wie in Urzeiten mit Flucht und Angriff reagieren kann, sondern die Situation einfach erträgt und erduldet, verkrampfen die Muskeln und in der Folge kommt es zu Verspannungen und starken Schmerzen im Muskelgewebe. „Beziehungs- und sozialer Stress kriechen unter die Haut, nehmen in den Muskeln Gestalt an und beladen den Rücken, bis er unter den Lasten zusammen bricht“, erklären die Rückenspezialisten Reiner und Kurt Mosetter in ihrem Buch „Wie der Rücken die Seele und die Seele den Rücken heilt“. So gesehen hängen körperliche und seelische Verspannung eng miteinander zusammen. Erst jetzt beginnt die Wissenschaft zu erforschen und besser zu verstehen, welch außerordentlich wichtiges Sinnesorgan unsere Muskulatur ist. Seelische Belastungen hinterlassen in den Nervenzellen unserer Muskeln Spuren und können unsere Körperabläufe schwer stören, sogar nachhaltig. Denn die Erinnerungsspuren des Erlebnisses oder traumatischen Belastung kann man nicht einfach mal eben löschen. Unsere Muskeln haben ein unglaublich gutes und lebhaftes Gedächtnis. Das heißt, die Muskeln bleiben weiterhin angespannt, obwohl der enorme Arbeits-und Leistungsdruck aufgehört hat. Wer sich mit den seelischen Ursachen nicht auseinandersetzt, wird wahrscheinlich weiterhin Rückenschmerzen haben, obwohl er mittlerweile wieder in Lohn und Brot steht und finanziell vielleicht sogar gut abgesichert ist. Die Spannung bleibt und die befeuert wiederum die Angst. (…)
erschienen in bewusster leben; Ausgabe 05/15