Fast jeder hat diesen Schmerz schon einmal gespürt. Entweder macht er sich als Ziehen oder als Stechen im Kreuz bemerkbar. Oft verschwinden die Beschwerden wieder nach kurzer Zeit. Doch die Hälfte der Bevölkerung in den westlichen Industrieländern berichtet mittlerweile über andauernde oder wiederkehrende Rückenschmerzen. 22 Prozent der Frauen und 15 Prozent der Männer leiden sogar unter chronischen Rückenschmerzen. Das ergab der zweite wissenschaftlich fundierte telefonische Gesundheitssurvey des Robert Koch Instituts. Andauernde Rückenschmerzen sind neben Herzerkrankungen der häufigste Grund für Krankmeldungen, Erwerbsunfähigkeit und Frühverrentung. Die Hauptursache dafür ist das stundenlange Sitzen am Schreibtisch, vor dem Fernseher und vor dem PC – darin sind sich Experten einig.
Fast 20 Millionen Deutsche verbringen ihren Arbeitsalltag im Büro am Schreibtisch. Während früher der häufige Gang zum Aktenschrank oder das Gespräch mit Kollegen im Nebenzimmer noch für etwas Bewegung sorgte, verbringt man heute 80 Prozent seiner gesamten Arbeitszeit zusammengekauert am Schreibtisch. Im digitalen Zeitalter bewegt sich fast nur noch der Zeigefinger. Per Mausclick werden die Informationen weitergeleitet, Mails versandt und selbst Bankgeschäfte getätigt. „Ein gesunder Rücken will aber vor allem eines: Bewegung. Und zwar mindestens eine Stunde am Tag“, erklärt Dr. med. Christian Larsen, Gründer des Med Centers in Zürich. Kein Wunder also, dass die häufigste Ursache für Rückenbeschwerden fast immer ein Gemisch aus Bewegungs-, aber auch Kraftmangel sind“, erklärt Dr. med. Larsen. In seiner Züricher ambulanten Privatklinik behandelt der Allgemeinmediziner jeden Tag Rückenpatienten. „Nur fünf Prozent aller Rückenprobleme sind auf Bandscheibenvorfälle zurückzuführen, „dagegen leiden 80 Prozent unter unspezifischen Rückenschmerzen“, erklärt Larsen, der sich seit 30 Jahren mit der Kunst und der Wissenschaft menschlicher Bewegung beschäftigt. Mit Abstand am häufigsten werde dabei über Beschwerden in der Lendenwirbelsäule geklagt, einer der schmerzanfälligsten Körperregionen“ weiß der 55jährige aus Erfahrung. Ursache hierfür sei in vielen Fällen die Überbeweglichkeit im Kreuz, also der unteren Lendenwirbelsäule, bedingt wiederum durch die mangelnde Bewegung im Brustwirbelbereich, so der Mediziner. Die mangelnde Beweglichkeit der Brustwirbelsäule versucht der Körper durch die Hyperbeweglichkeit der Lendenwirbelsäule auszugleichen.
Anfang vom Elend: Die Brustwirbelsäule
Bei vielen Menschen ist die Brustwirbelsäule steif, da im Auto und auch im Büro im Allgemeinen raumgreifende Übungen total fehl am Platz sind. Wir bewegen uns sehr eingeschränkt, wie Zinnsoldaten. „Die durchschnittliche Wirbelsäule hat mindestens 50 Prozent ihrer Beweglichkeit verloren“, weiß Dr. med. Larsen, der in den letzten Jahren rund 6000 Wirbelsäulen vermessen hat. Die Messung sei computerinstrumentiert erfolgt und somit abgesichert. Das Fazit für die Therapie: Intelligente Bewegung findet immer in allen drei Ebenen statt: Die Wirbelsäule kann sich nicht nur nach vorn und hinten biegen, sondern auch zur Seite neigen und drehen. Bei Tänzerinnen ist diese dreidimensionale Beweglichkeit gut zu erkennen. Während die Wirbelform der Brustwirbelsäule wie zum Drehen geschaffen ist, sorgen die massiven Gelenkfortsätze der Lendenwirbelsäule jedoch für wenig Drehmöglichkeit. Ihre Stärken sind Beuge-Streckbewegungen und das Tragen von Lasten. Ihre Wirbel sorgen für Stabilität. Ganz anders sieht es in der Brustwirbelsäule aus: Die Gelenkflächen der grazilen Brustwirbel sind schuppenförmig angeordnet und können bei einer Drehung spiralförmig aneinander vorbei gleiten.
Wie ist es um Ihre Beweglichkeit bestellt? Machen Sie den Test!
Setzen Sie sich auf einen Hocker, am besten auf die vordere Hälfte der Sitzfläche. Oberkörper und Oberschenkel befinden sich im rechten Winkel, ebenso Ober- und Unterschenkel. Denn so bleibt das Becken stabil. Die Beine sind parallel aufgestellt: Öffnen Sie die Arme in die Waagerechte und drehen Sie den Oberkörper zuerst nach rechts und dann nach links. Können Sie beide Seiten gleich gut nach hinten drehen. Die Brustwirbelsäule müsste mindestens 40 Grad rotieren können, so Dr. med. Larsen. Im Stand würde sich das Becken automatisch mitdrehen. Die Dreh-Beweglichkeit der Brustwirbelsäule kann so gemessen und in etwa festgestellt werden.
Falls Sie Ihre Brustwirbelsäule nicht so weit drehen können, trainieren Sie am besten die Beweglichkeit mit Übungen aus der Spiraldynamik, die mittlerweile selbst in vielen Lehrbüchern für Physiotheraputen eingegangen sind. Gemeinsam mit der französischen Physiotherapeutin Yolande Deswarte hat der Mediziner Larsen vor 25 Jahren dieses leicht erlernbares Konzept entwickelt, mit dem man Rückenbeschwerden gut selbst behandeln kann. Es basiert auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen von Sportwissenschaftlern, Physiotherapeuten und Medizinern. Mit den leichten Übungen der Spiraldynamik kann man sich die richtigen und optimalen Bewegungsabläufe schnell aneignen. Probieren Sie es aus, damit Ihre Brustwirbel Wirbel für Wirbel wieder so regelmäßig beweglich wie die Glieder einer Fahrradkette werden und Ihr Kreuz stabil und belastbar.
Aktives Sitzen
Bringen Sie Bewegung in ihre Sitzhaltung. Verändern Sie regelmäßig Ihre Position. Stehen Sie so oft wie möglich auf. Mehr Bewegung am Arbeitsplatz erhöht übrigens die Motivation und Leistungsbereitschaft.
Gehen in Zeitlupentempo
Für den menschlichen Gang ist die Verschraubung von Rumpf und Becken selbstverständlich. Das unterscheidet uns vom Affen. Während wir einen Schritt tun, dreht sich der Oberkörper auf die eine Seite, das Becken auf die andere Seite. Diese Gegendrehung erzeugt viel Drehung, speziell in der Brustwirbelsäule. Dabei bewegt sich das Becken auf und ab. Für die Bandscheiben sind dies angenehme Massageeinheiten. Gönnen Sie ihnen diese Wohltat. Gehen Sie in Zeitlupentempo los. Lassen Sie die Arme mitpendeln. Und nehmen Sie die Verschraubung bewusst wahr. Achten sie darauf, dass beim Abstoß der untere Rücken lang bleibt und der Bauch nicht nach vorn gedrückt wird. Spannen Sie die Bauchmuskeln an. Ziel ist es, die federnde Energie im Kreuz anstelle harter unkontrollierter Schläge wahrzunehmen. Denn so förderlich Gehen oder Walken für die Rückengesundheit ist, auch Fehl- oder zu starke Druckbelastungen, beispielsweise beim Joggen können zu Rückenproblemen führen.
Muskeln im Sechser Pack
Wer unter Kreuzschmerzen leidet, hat meist eine schwache Bauchmuskulatur. Dehnen Sie zuerst die Lendenmuskulatur zuerst in die Länge, damit Sie sich entspannt. Legen Sie sich auf den Rücken. Heben Sie die Beine im Winkel von 90 Grad an. Oberschenkel sind senkrecht und Unterschenkel in der waagerechten. Spannen Sie die Bauch- und Beckenbodenmuskeln an und schieben Sie die Knie etwas nach oben Richtung Decke. Beim Anheben darauf achten, dass Bauchmuskulatur und Beckenboden in einem Impuls zusammenarbeiten. Der Kopf bleibt am Boden: Nackenmuskulatur und Schulter entspannen. Das ist eine kleine Bewegung, bei der die Bauchmuskeln Schwerstarbeit leisten.
Kraft aus der Mitte
Stützen Sie die Hände auf Schulterhöhe gegen eine Wand oder eine Tür. Heben Sie das linke Bein an und stellen Sie es einen Schritt nach vorn ohne Belastung. Verlagern Sie den Oberkörper diagonal nach vorn. Dabei verläuft die Körperlängsachse von der Ferse über die Rückseite des Beins, den Rücken entlang der Wirbelsäule bis zum Nacken und von dort zum Scheitel. Atmen Sie ruhig. Drücken Sie die Hände kräftig gegen die Wand und geben Sie die volle Kraft in das Standbein. Konzentrieren Sie sich dabei auf Ihr Kraftzentrum, Ihre Körpermitte. Der untere Rücken und der Beckenboden sind angespannt. Nehmen Sie dabei die Länge der Wirbelsäule, Stärke und Stabilität wahr. Verstärken Sie den Druck wenn möglich. Der untere Rücken bleibt lang und ohne Knick (Hohlkreuz). Halten Sie ihm einige Sekunden stand. Dann wechseln Sie die Seiten. 10 Mal wiederholen.