Die Füße verdienen bei Menschen mit Diabetes besonderes Augenmerk. Bei Komplikationen zählt eine gute und schnelle Versorgung. Worauf es ankommt, hat unsere Autorin Inge Behrens beim Besuch einer Fußambulanz erfahren.
„Ab dem Moment, in dem der Verdacht auf eine Wunde besteht, gehört der Patient unbedingt in eine spezialisierte Wund- und Fußambulanz. Der Besuch beim Podologen genügt dann nicht mehr“, betont Nils Burow, Wund-Assistent im Diabetes Zentrum Hamburg West. Es verfügt neben zwei Fachärzten für Inneres und Diabetologie auch über eine solche Ambulanz. Denn Menschen mit Diabetischem Fußsyndrom laufen im wahrsten Sinn des Wortes ständig Gefahr, dass sich selbst allerkleinste Verletzungen infizieren. Jeder Tag, den man dann verliert, kann die Behandlungszeit um Wochen, ja Monate verlängern. Von den rund 3000 Patienten, die jährlich die Facheinrichtung in Hamburg konsultieren, werden 350 Patienten von den beiden Wund-Assistenten Nils Burow und Selina Stein fachkundig behandelt. Sie sorgen nicht nur für eine optimale und schnelle Versorgung von chronischen Wunden, sondern sind auch bei akuten Wunden wie Druckstellen, offenen Blasen und anderen kleinsten Verletzungen die erste Anlaufstelle.
Optimale Wundversorgung
Die Wundspezialisten schaffen optimale Bedingungen, damit sich das offene Hautareal möglichst schnell schließt. „Fußwunden sind dank moderner Wundauflagen wie beispielsweise Schaum-verbänden heute sehr gut behandelbar. Dieses Material nimmt überschüssige Feuchtigkeit auf, trocknet die Wunde aber nicht aus“, erklärt der gelernte Krankenpfleger Burow. Wöchentlich gehen 30 bis 60 Fußpatienten durch seine versierten Hände. Routiniert prüft er mit Stimmgabel und Monofilament Empfindungsvermögen und Durchblutung. Das Ergebnis liefert einen Hinweis darauf, wie gut eine Wunde heilen kann. Bei schlechter Durch-blutung ist der medizinische Rat des Diabetologen Dr. Dominik Dahl gefordert. „Um die Durchblutung zu verbessern, arbeiten wir außerdem eng mit Gefäßspezialisten zusammen,“ erklärt der Mediziner. Auch wenn sich eine Wunde infiziert, wird Dahl hinzugezogen, denn nur er kann und darf als Mediziner Antibiotika verordnen. Patienten, die als Spätfolge des Diabetes Sensibilitätsstörungen oder gar Taubheitsgefühle in den Füßen entwickeln, bemerken häufig Verletzungen gar nicht oder viel zu spät. Denn ihr Schmerzempfinden ist stark eingeschränkt. „Da der Fuß nicht mehr mit dem Gehirn spricht, wird er quasi zum Anhängsel und oftmals nicht mehr ausreichend geschont“, berichtet Burow aus der Praxis. „Es passiert daher leider in jeder Woche, dass bei zwei oder drei Patienten die Wunde so tief ist, dass der Knochen bereits freiliegt“. In so einem Fall steigt das Risiko, dass sich der Knochen mit Bakterien infiziert. Im Extremfall droht eine Amputation. Wundspezialist Burow und Diabetologe Dahl entscheiden dann gemeinsam, ob Gefahr droht und sie den Patienten direkt ins Krankenhaus überweisen.
Jeder Tag zählt
Patient Ralf Stamm kam zwei Tage zu spät in die Hamburger Wundambulanz. Er hatte zwar bemerkt, dass sein linker Fuß stark geschwollen und gerötet war, jedoch die winzige Wunde an der Fußsohle weder gespürt noch gesehen. Er meinte, an einer Wundrose erkrankt zu sein, und verordnete sich selbst ein Medikament. „Am nächsten Tag war nicht nur mein Fuß dick, sondern die Rötung bis zum Knie weitergegangen. Alles war vereitert“, erinnert sich der 54-Jährige. Da der Knochen bereits entzündet war, zögerten Dahl und Burow keinen Moment und überwiesen ihn ins Krankenhaus. Der gelernte Schreiner hatte Glück im Unglück, denn das tote Gewebe konnte entfernt und sein Fuß gerettet werden. Seit drei Monaten kommt er nun zwei Mal wöchentlich in den wohnlich wirkenden Behandlungsraum. Mit viel Feingefühl säubert Burow jedes Mal die Wunde an der Fußsohle und freut sich gemeinsam mit seinem Patienten über Heilungsfortschritte. Stamm achtet jetzt mehr auf seine Füße. Alle vier Wochen geht er zum Podologen. Denn diese medizinisch ausgebildeten Fußexperten sorgen für eine verletzungsfreie Haut- und Nagelpflege. Burow hat noch einen wichtigen Rat: „Je weniger ein Diabetiker seine Füße spürt, desto wichtiger ist passendes Schuhwerk. „Denn zu enge Schuhe verursachen aufgrund des lang anhaltenden Drucks schnell Blasen und andere Läsionen. Wer auf Nummer sicher gehen will, sieht am besten täglich mit einem Handspiegel nach kleinen Verletzungen“, so der Wundassistent. Noch besser sei es, wenn ein Verwandter oder Partner die Füße täglich inspiziert.
Gut zu wissen:
Bei Sensibilitätsstörungen der Füße empfiehlt sich alle vier Wochen ein Besuch beim Podologen. Jeder Patient mit Polyneuropathie, arterieller Verschlusskrankheit und Diabetischem Fußsyndrom hat Anspruch auf eine podologische Komplexbehandlung. Treten Wunden auf, heißt es, sofort den Hausarzt oder Diabetologen aufzusuchen.