Die Münchner Philosophin Rebekka gibt in ihrem neuen Buch „Würde Platon Prada tragen?“ Einblicke in die alltäglichen seelischen Nöte der modernen Überfrau
Wer ein oder gar mehrere Probleme mit anderen, mit der Welt und mit sich hat, dreht sich oftmals grübelnd und ratlos im Kreise. Er weiß oder erkennt „Guter Rat ist teuer“, zumindest, wenn er irgendwann reu- oder demütig den Gang zum Psychotherapeuten antritt. Doch dem muss nicht immer so sein. Denn auch Philosophen, wie Epikur (über das Glück), Marc Aurel oder Nietzsche haben sich seit jeher mit den Ängsten, menschlichen Unvollkommenheiten und Schwächen auseinandergesetzt und ungefragt und kostenfrei sich zu Fragen der Lebenskunst geäußert. Auch die Philosophin Rebekka Reinhard folgt dieser Tradition und gibt zum dritten Mal in Folge in Buchform ihre Lebenseinsichten und -erkenntnisse preis, die sie als philosophische Beraterin in eigener Praxis in München gewinnt. Nach ihren ersten zwei Büchern die „Sinn-Diät“ sowie „Odysseus oder die Kunst des Irrens“ erscheint nun das hübsche 130 Seiten umfassende Bändchen „Würde Platon Prada tragen?“ – ein vergnügliches Wortmachwerk, das man am besten als zuverlässige Ratgeberquelle stets in der Tasche bei sich trägt oder zuhause an einer häufig heimgesuchten Stelle platziert. Mit seinen über 50 ein- bis zweiseitigen Kolumnen bietet die 38 Jahre junge moderne Münchner Philosophin Unterhaltung auf hohem Niveau. Auf leichtfüßige Weise lässt sich die Autorin Reinhard sowohl über Tugenden als auch über allerlei alltägliche Frauen- oder Gesellschaftsthemen aus. Kurz und bündig, ja oft einsilbig sind sie tituliert. „Stil“, „Neid“, „Schuhe“ „Schönheit“ und „Mode“ „Eitelkeit“ oder „Staunen“ lauten etwa die Überschriften. Als Auftakt ist den Titeln ein locker und heiter klingendes „Apropos“ vorangestellt. Denn lässig lebt´s sich viel besser. Und mit Selbstdistanz eben auch! Augenzwinkernd und versöhnlich, eher mit- als besserwisserisch hält Reinhard der wohlstandsverwöhnten und -geplagten Frau einen Spiegel vor, indem sie ihren übertriebenen Perfektionismus und ihre verdrehte Denkweise und Einstellung am Beispiel alltäglicher Szenen aufzeigt. Das zentrale Motiv, so Reinhard, sei die moderne Überfrau: ihr Kontrollbedürfnis, ihr Hang zum Vergleichen, ihr ewiges Ringen um Selbstwertgefühl – all dies sind Themen dieser fein geschliffenen schriftstellerischen Texte. Doch auch wenn jede Kolumne elegant und leicht verpackt daher kommt, ihr Inhalt wiegt schwerer als es auf den ersten Blick scheint. Sie wirken langsam, nach und nach. Grund dafür ist der jeweilige Aphorismus eines großen Philosophen, in denen die Beobachtungen und Betrachtungen der Münchner Philosophin stets gipfeln. bewusster leben traf die quirlige Lebenskünstlerin und philosophische Beraterin standesgemäß im Literaturhaus Oskar Maria in München und führte mit der klugen Schönen ein spannendes und nachhaltig bewegendes Gespräch über Narzissmus und Selbstverliebtheit und wie man dennoch auch heute Ethik entwickeln kann.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, philosophische Kolumnen zu schreiben?
Rebekka Reinhard Ich finde es interessant, im Alltag Beobachtungen anzustellen und die kleinen psychologischen Dynamiken darin zu erkennen und darüber zu schreiben. Neben der Arbeit in meiner eigenen Praxis bin ich auch noch im klinischen Bereich tätig, wo ich regelmäßig mit Depressions- und Krebspatienten spreche – das schärft natürlich die Wahrnehmung. Den Lesern meiner Texte möchte ich helfen, eine liebvolle kritische Distanz zur Familie, den Kindern, der Mutter, dem Partner, den Freundinnen – und vor allem auch zu sich selbst herzustellen.
Und warum haben Sie als Textform die Kolumne gewählt? Das ist ja nicht unbedingt eine adäquate philosophische Form.
Rebekka Reinhard: Ich bin eine Freundin der kurzen angelsächsischen Form, die tiefschürfendes Gedankengut und Unterhaltung kombiniert. Bei uns in Deutschland hingegen wird Literatur oder Wissenschaft entweder als high oder low bewertet. Doch das ist Unsinn. Eines meiner weiteren literarischen Vorbilder ist der französische Schriftsteller La Rochefoucauld, der in Frankreich für seine kleinen aphoristischen Texte bekannt ist und die feine Gesellschaft des 17ten Jahrhunderts karikiert hat.
Und Sie karikieren die moderne Überfrau unserer Gesellschaft? Ist sie denn so lächerlich?
Rebekka Reinhard: Durchaus nicht. Sie ist nur allzu menschlich! Fast jede Frau, die heute mitten im Leben steht, die den Erwartungen ihres Umfelds und ihren eigenen Ansprüchen zu gleichen Teilen gerecht zu werden versucht, stellt ja irgendwie eine solche Überfrau dar. Problematisch wird es dann, wenn das ‚Überfrau-Syndrom‘ ein Zuviel an Eitelkeit und Selbstverliebtheit mit sich bringt – typische Erscheinungen und Folgen der metaphysischen Obdachlosigkeit unserer Zeit.
Was verstehen Sie denn unter metaphysischer Obdachlosigkeit?
Rebekka Reinhard: An Gott glauben wir nicht mehr, also suchen wir den Sinn in der Vergötterung unseres Selbst. Diese Form der Ego-Zentrierung ist aber leider ein sicherer Weg, um völlig beziehungslos zu werden.
Was würden Sie einem spirituell orientierungslosen selbstverliebten Menschen raten?
Rebekka Reinhard: „Lebe mutig und neugierig“, ist eine meiner Botschaften. Auch ist es erstrebenswert, nicht den Konventionen zu folgen, sondern vom Urteil anderer wegzukommen und Souveränität anzustreben, ohne seine Mitmenschlichkeit zu verlieren. Dafür ist es wichtig, einen Ethos zu entwickeln, eine gleichmäßige innere Haltung, die von äußeren Umständen relativ unabhängig ist. Für die alten Griechen war ein solcher Ethos der sicherste Weg zu einem erfüllten, sinnvollen Leben. Mich fasziniert auch die griechische Idee, das ganze Leben als Kunstwerk zu sehen, das man selbst gestaltet.
Was ist für Sie ein gelungenes Leben?
Rebekka Reinhard: Ein Leben, das Liebe gibt, weil man Liebe schenkt! Und wenn es einem gelingt, das Leben ein wenig weiser zu verlassen, als man es betreten hat…